Immer wieder liest man auf diversen Seiten oder Ratgebern, dass man Hunden das Eiweiss vom Ei nicht roh füttern dürfe.
Es gibt dafür verschiedene Begründungen, am häufigsten ist dabei die Rede von im rohen Eiweiss enthaltenen Avidin, welches Biotin bindet.
Aber was ist da nun dran?
Zunächst einmal – es ist vollkommen richtig, dass in rohem Hühnereiweiss Avidin enthalten ist. Es ist auch richtig, dass in Eigelb sehr viel Biotin enthalten ist.
Würde man jetzt sehr viel rohes Eiklar füttern, ohne Eigelb, dann würde man auf Dauer sicherlich einen Biotinmangel riskieren.
Ein solcher Biotinmangel wurde aber noch nie bei dem Verzehr oder der Verfütterung ganzer roher Eier festgestellt. Denn das vorhandene Biotin im Eigelb und das Avidin im Eiklar ergänzen sich untereinander perfekt und heben sich damit sozusagen gegenseitig auf.
Es kursieren im Internet widersprüchliche Angaben, wie viel Avidin nun enthalten ist und wie viel Biotin es binden kann. Das liegt teilweise wohl an Übersetzungsfehlern oder einfach an der Unkenntnis der unterschiedlichen Molekülgrößen. Chemisch gesehen gibt es allerdings eine eindeutige Definition.
Um das genauer zu betrachten, wird es leider jetzt etwas zahlenlastig:
Ein ganzes Ei Klasse M mit 50g (ohne Schale) enthält insgesamt 12,5 µg Biotin und 6,5g Protein, wovon ungefähr die Hälfte im Eigelb enthalten ist, also ohne Avidin.
Bleiben 3,3g Protein aus dem Eiklar – 0,05% davon, also 1,65 mg, ist Avidin.
Avidin ist ein sogenanntes tetrameres Glykoprotein, das sich aus vier identischen Untereinheiten zusammensetzt, die aus verschiedenen Aminosäuren und Kohlehydraten bestehen. Jetzt kann man häufig lesen „ein Molekül Avidin bindet also 4 Moleküle Biotin“ oder „damit kann Avidin die vierfache Menge Biotin binden“. Leider ist das so aber nicht ganz richtig, denn es wird völlig außer Acht gelassen, dass Avidin und Biotin unterschiedlich große Moleküle sind. Richtig ist, dass jede dieser 4 Untereinheiten, aus denen sich das Avidin zusammensetzt, eine Andockstelle für Biotin hat.
In der Chemie wird Avidin aufgrund seiner Eigenschaften oft eingesetzt. Für diese Verwendung wurde eine Definition für die Wirksamkeit von Avidin festgelegt:
Als eine Einheit Avidinaktivität gilt die Menge, die 1 µg Biotin binden kann.
Hochgereinigtes Avidin hat eine Aktivität von etwa 13-14 Einheiten pro mg, natives tetrameres Avidin, wie es im Eiklar vorliegt, hat eine Aktivität von etwa 10 Einheiten pro mg.
Grob gesagt kann also 1 mg natives Avidin 10 µg Biotin binden.
Unser Ei hat, wie oben ausgerechnet, 1,65 mg Biotin. Diese 1,65 mg Avidin binden also 16,5 µg Biotin.
In unserem Ei sind insgesamt 12,5 µg Biotin enthalten – in unserem ganzen Ei haben wir also ein „Minus“ von Biotin von gerade mal 4 µg.
Beim Barfen stammt der größte Teil des Biotins aus den tierischen Produkten, also den Innereien und dem Muskelfleisch.
Mit einer durchschnittlichen Barfration wird oft das Doppelte des Bedarfs an Biotin gedeckt, denn im Fleisch und Innereien ist reichlich Biotin enthalten.
Also selbst wenn es täglich ein ganzes rohes Ei inklusive Eiklar gäbe, würde dies nicht zu einem Biotinmangel führen.
Kleiner Tipp: Bio-Eier enthalten oft deutlich mehr Biotin. Erst recht, wenn sie ein doppeltes Eigelb haben.
Es spricht also absolut nichts dagegen, gelegentlich oder regelmäßig ein ganzes rohes Ei zu geben, sofern es vertragen wird. Und wer immer noch unsicher wegen des Avidin und Biotin ist, kann auch nur das Eigelb füttern oder kurzerhand das ganze Ei als Rührei oder Frühstücksei in den Napf geben.
Quellen: naehrwertrechner.de, affiland.com
Foto mit freundlicher Genehmigung von Marion Heckmann-Barkowsky, bunternapf.de