Kleiner BARF-Grundkurs – Teil 3 – Muskelfleisch hat viele Gesichter
BARF ist ein immer größeres Thema – fast jeder Hunde- oder Katzenbesitzer hat schon davon gehört oder darüber gelesen.
Allerdings stellen wir von der PfotenBar immer wieder fest, dass häufig Unsicherheit über die einzelnen Bestandteile beim BARFen herrscht. In Teil 1 und 2 ging es um Innereien und Knochen – heute schauen wir uns mal „Muskelfleisch“ genauer an. Immerhin ist Muskelfleisch sozusagen die Hauptzutat beim BARFen.
Muskeln findet man an ganz vielen Stellen im Körper – es gibt glatte Muskulatur (z.B. Magen, Darm, Atemwege, Gebärmutter, Harnwege, Adern und Venen) und die sogenannte quergestreifte Muskulatur, die sich weiter unterteilen lässt in Skelettmuskulatur und Herzmuskulatur.
Beim BARFen meint man, wenn man von Muskelfleisch redet, vor allem die quergestreifte Muskulatur – also die Muskeln, die alle mehr oder weniger selber aktiv arbeiten, meistens direkte Skelettmuskulatur.
Die Zusammensetzung von Muskelfleisch variiert sehr stark, je nachdem, welche Aufgabe die Muskeln im Körper haben. Manche Muskeln sind stark durchblutet, während andere dagegen stark von Sehnen, Bindegewebe oder Fett durchzogen sind.
Was viele nicht wissen – Muskelfleisch ist nicht nur das, was auch als solches bezeichnet wird.
Lefzen/Maulfleisch sind z.b. die Lippen und das Backenfleisch vom Rind. Es hat einen guten Anteil von Fett und Bindegewebe, ist bei Hunden und Katzen sehr beliebt und vor allem die Backen gelten auch beim Menschen häufig als Delikatesse. Es wirkt teilweise etwas „schwammig“, ist tatsächlich aber sehr zart.
Schlund ist die Speiseröhre vom Rind – nicht zu verwechseln mit der Luftröhre (die tatsächlich in erster Linie aus Knorpel besteht). Es ist ein sehr feines, mageres Fleisch mit einem Anteil an Sehnen, gut durchblutet und hat zu Unrecht einen schlechten Ruf: Beim Rind sitzt die Schilddrüse unterhalb des Kehlkopfes, zwischen Schlund und Luftröhre. Unseriöse Hersteller wolfen häufig Schlund und Luftröhre gemeinsam und entfernen die Schilddrüse vorher nicht. Der Schlund an sich hat aufgrund der Nachbarschaft zur Schilddrüse bereits einen etwas höheren Jodgehalt, die Schilddrüse dagegen ist der größte Jodspeicher im Körper. Der durch das mitverarbeiten der Schilddrüse teilweise massiv erhöhte Jodgehalt kann vor allem bei Hunden, die viel Schlund bekommen, zu einer Schilddrüsenüberfunktion führen. Es spricht nichts dagegen, Schlund oder Schlundfleisch gelegentlich zu füttern, aber bitte – in Maßen, nicht in Massen und vor allem – von seriösen Herstellern, welche sicherstellen, dass die Schilddrüse nicht mit verarbeitet wird. Kleiner Tipp – SchlundFLEISCH ist wirklich nur die Speiseröhre, also die reine Muskulatur, ohne Beimischung von Knorpel oder Schilddrüsengewebe.
Kopffleisch ist das ziemlich feste Fleisch, das den Schädel umgibt. Häufig sind Knorpel mit enthalten, häufig ist ein guter Gehalt an Fett und auch Bindegewebe/Sehnen dabei, was es zu einem sehr beliebten Fleisch macht. Häufig werden auch Lefzen und Backenfleisch als Kopffleisch angeboten – was auch nicht verkehrt ist, es ist ja das Fleisch vom Kopf..;-)
Kronfleisch bzw. Saumfleisch ist das Zwerchfell – es ist ein innenliegender, sehr aktiver und gut durchbluteter Muskel, der die inneren Organe schützt, Brust und Bauchbereich voneinander trennt, sehr viel Sehnengewebe enthält und an der Atmung mit beteiligt ist.
Kehlkopf kennen viele als Kauspaß – was aber viele nicht wissen, es gibt auch Kehlfleisch. Der Kehlkopf sitzt im Körper auf einer Knorpelgabel, die mit Fleisch umgeben ist – das ist ein sehr feines, zartes, mageres Fleisch, ein Muskel, der den Kehlkopf in der Bewegung (z.b. beim Schlucken) abfedert und bewegt. Reine Kehlköpfe sind fast nur Knorpel, das Kehlfleisch ist allerdings die Gabel mitsamt dem Fleisch. Kehlfleisch ist recht knorpelhaltig, dabei aber relativ fettarm. Auch Kehlfleisch hat einen erhöhten Jodgehalt.
Die Zunge ist ein sehr großer, starker, sehr magerer und sehr gut durchbluteter Muskel. Zungenfleisch gilt auch für Menschen häufig als Delikatesse. Interessant für Katzenbesitzer – Zunge ist auch sehr reich an Taurin.
Magen und Darm gehören zur glatten Muskulatur, sind also ebenfalls Muskelfleisch –für BARF ist meist nur der Magen interessant, entweder von Wiederkäuern (Pansen und Blättermagen) oder vom Geflügel.
Geflügelmägen sind extrem festes Fleisch und sollten aufgeschnitten verfüttert werden – so kann man eventuelle Steine oder Reste von Futtergetreide besser erkennen und entfernen.
Geflügelmägen enthalten relativ viel Phosphor, weshalb sie bei Nierenerkrankungen besser nicht gefüttert werden sollten.
Pansen und Blättermagen werden beim BARFen sozusagen extra gerechnet und in den meisten BARF-Plänen auch separat aufgeführt, also nicht zum Muskelfleisch gezählt. Beides ist bei Hunden sehr beliebt, beide haben einen sehr moderaten Proteingehalt und enthalten mehr Calcium als anderes Muskelfleisch. Sowohl Pansen als auch Blättermagen ist eher weich und recht zäh. Der Anteil an Bindegewebe ist ebenfalls etwas höher, dazu kommen Enzyme und Überreste des vorverdauten Mageninhalts. Pansen ist außen von sehr fetthaltigem Gewebe eingehüllt, während Blättermagen eher mager ist.
Das Herz ist ein sehr starker, gut durchbluteter Muskel, der ununterbrochen arbeitet – auch Herz wird bei BARF in der Regel nicht pauschal als Muskelfleisch gerechnet, sondern anteilsmäßig sehr gering, wie Innereien, gefüttert. Der Grund ist der erhöhte Gehalt an Purin, was zu Durchfällen führen kann und auch bei diversen Erkrankungen, wie z.b. Leishmaniose, eher gemieden werden sollte. Herz enthält auch mehr Phosphor als Muskelfleisch. Generell ist Herz ein sehr mageres Fleisch, der Fettkranz eines Herzens besteht aus sehr hartem, schnittfestem Fett und ist deutlich zu sehen.
Die Skelettmuskulatur, also die Muskeln, die zur Fortbewegung erforderlich sind, ist meistens sehr gut durchblutet, so ist vor allem bei Geflügel das Schenkelfleisch dunkler und auch etwas fettreicher als das magere Brustfleisch.
Bauchfleisch ist meist sehr passive Muskulatur und sehr gut von Fett durchzogen – wir kennen es als durchwachsenes Fleisch – während die Lenden-, Brust- und Rückenmuskulatur sehr mager ist – wir kennen es als mageres Fleisch oder auch als Brustfilet, Lende, Filet, für den Menschen auch Roastbeef, Steak, Rouladen oder Schnitzel. Dieses Fleisch ist vor allem für den menschlichen Verzehr recht begehrt.
Stichfleisch ist das Halsfleisch, es bezeichnet das Fleisch rund um die Stelle, wo der Stich zum Ausbluten des Schlachttieres gesetzt wird. Da hier sehr viel Blut durch das Fleisch fließt, teilweise später im Fleisch auch Klümpchen von geronnenen Blut zu sehen sind, ist es sehr anfällig für bakterielle Belastung, solle also sehr zügig verarbeitet werden und immer gut gekühlt aufbewahrt. Generell ist Stichfleisch ein tolles Fleisch, gut durchblutet, moderat durchwachsen, wenig Sehnen und Bindegewebe. Gelegentlich hört man davon, man solle kein Stichfleisch füttern, weil beim „Stich“ die Schilddrüse beschädigt werden könnte und damit Hormone ins Fleisch kommen. Diese Aussage kann man getrost vergessen – die Schilddrüse hat keinen flüssigen Inhalt, wie etwa die Galle oder Harnblase.
Geschlinge ist kein reines Muskelfleisch – der gesamte Komplex Zunge, Schlund, ein Anteil Lunge, Herz und eventuell Leber hängt sozusagen zusammen und wird als „Geschlinge“ bezeichnet. Es ist relativ mager und blutig und kann gut als Abwechslung gefüttert werden.
Alle genannten Beispiele können als „Muskelfleisch“ verkauft werden und sind damit sachlich gesehen korrekt deklariert. Kleiner Hinweis – da Schlund und Kehle bei vielen Barfern sehr in Verruf geraten ist, wird es mittlerweile tatsächlich häufig einfach als „Muskelfleisch“ verkauft – was per Definition auch vollkommen korrekt ist.
Anhand der Beispiele ist gut ersichtlich, wie variabel das Fleisch, dass sich unter dem Sammelbegriff „Muskelfleisch“ versteckt, sein kann.
Dies ist auch damit gemeint, wenn man liest oder hört, dass abwechslungsreich gebarft werden soll. Es geht nicht so sehr darum, möglichst viele verschiedene Tierarten zu füttern, sondern sich auch wirklich mal komplett „durch ein Tier zu füttern“.
Übrigens – Fisch fällt vom Prinzip her unter den Begriff „Muskelfleisch“ – er wird aufgrund seines hohen Jod- oder Vitamin-D-Gehaltes aber separat gerechnet, denn es sollte nur wenig davon gefüttert werden. Bei Fisch gibt es auch gar nicht so viele Varianten – es gibt halt das Fischfilet, was eigentlich den kompletten Körper beschreibt, die Innereien und ansonsten nur noch Kopf und Flossen. Gefüttert werden in der Regel ganze Fische (z.b. Sprotten), Fischköpfe (sehr beliebt – Lachsköpfe) oder eben das Filet. Fischinnereien sind im BARF-Speiseplan nicht vorgesehen.
Muskelfleisch gehört beim BARFen in jeden Napf. Es ist die Grundzutat bei der Rohfütterung, ergänzt um Knochen, Innereien, pflanzliche Anteile (Obst, Gemüse, evtl. Getreide), eventuell Fett und wenige Zusätze. Es ist also in jedem Fall sinnvoll und hilfreich, zu wissen, was alles unter diesen Begriff fällt und wir hoffen, mit diesem Beitrag ein wenig dabei zu helfen.
Bild mit freundlicher Genehmigung von Carnes Doggi